Trauer um Erika Fisch

Vielseitige Leichtatlehtin mit 87 Jahren gestorben

HANNOVER – Die deutsche Leichtathletik trauert um Erika Fisch. Die frühere Weltkasse-Athletin, die zwischen 1953 und 1965 in fünf Disziplinen zur nationalen und internationalen Spitze zählte, ist am 9. November 2021 in Hannover gestorben. Das teilten der Niedersächsische Leichtathletik Verband NLV und ihr ehemaliger Verein Hannover 96 mit. Fisch lebte in den vergangenen Jahren in einem Alten- und Pflegeheim in Hannover.

 „Erika Fisch war nicht nur eine große Sportlerin, sondern auch ein stets freundlicher und umgänglicher Mensch“, würdigte Wilhelm Köster, Präsident des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte (NISH), die Verstorbene. Die ungewöhnlich vielseitige Athletin, die 1964 vom Deutschen Leichtathletik Verband mit dem Rudolf Harbig-Preis ausgezeichnet worden war, genoss im Kreis der DLV-Nationalmannschaft ein hohes Ansehen.

„Sie hatte für jeden ein offenes Ohr und ein freundliches Wort“, charakterisierte Olympiasieger Walter Mahlendorf im Nachruf der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ seine frühere Klubkollegin von Hannover 96. Die gebürtige Niedersächsin, die in Osterode am Harz aufwuchs, war – solange es ihre Gesundheit zuließ – ein gern gesehener Stammgast bei den oftmals turbulenten Jahreshauptversammlungen des Fußball-Bundesligaclubs.

Der ganz große Erfolg blieb Erika Fisch allerdings versagt. „Ich hatte immer das Pech, gut vorbereitet zu sein und im entscheidenden Moment kam etwas dazwischen“, erinnerte sie einmal an ihre Karriere. So wie bei den Olympischen Spielen 1956 in Melbourne, als sie als Favoritin im Weitsprung nach Australien reiste, wegen eines Muskelrisses aber mit einer Oberschenkel-Bandage springen musste und auf Platz vier landete.

Ein Beinbruch, erlitten beim Skilaufen im März, verhinderte 1960 den Olympia-Start in Rom. Besser erging es ihr bei der EM 1962, als die schnelle Läuferin von Hannover 96 Silber mit der Sprint-Staffel sowie Bronze über 80-Meter-Hürden gewann. Als größten Erfolg bezeichnete sie den Weltrekord, den sie 1956 in Dresden mit den drei DDR-Läuferinnen Christa Stubnick, Gisela Köhler-Birkenmeyer und Bärbel Meyer-Reinagel in der 4 x 100 Meter-Staffel aufstellte. Sie legte als Startläuferin des gesamtdeutschen Quartetts den Grundstein für die Zeit von 45,1 Sekunden – ein sportlich wie sportpolitisch bemerkenswertes Ereignis.

Insgesamt 21 nationale Titel sammelte „Fischlein“, wie die zierliche, 1,57 Meter große Frau genannt wurde, in ihrer Karriere. „Sie ist immer in Niedersachsen geblieben und war auch nach dem Ende ihrer Karriere bei vielen Veranstaltungen präsent“, sagte die frühere NLV-Präsidentin Rita Girschikofsky. Sie hatte sich 2009 mit Erfolg für die Umbenennung der Mehrkampfanlage iin Hannover in Erika Fisch-Stadion eingesetzt.

Als Ehefrau, Mutter und Lehrerin erlebte Erika Fisch nicht nur glückliche Stunden. Der Tod ihres Mann Günter Claus, der 2003 nach langer Krankheit starb, traf sie hart. Bevor sie in ein Alten- und Pflegeheim zog, löste Erika Fisch den Haushalt auf. Ihre beeindruckende Urkunden-Sammlung mit seltenen Exemplaren landete im NISH, zwei Speerwürfe entfernt von jenem Stadion, das weiterhin ihren Namen trägt.

Text: Peter Hübner, 16. November 2021