Zweifacher Medaillengewinner von 1952 lebt in Jade
Im Pferdesport ist der frühere Vielseitigkeits- reiter Dr. med. vet. Wilhelm „Willy“ Büsing seit Jahrzehnten ein bekannter Mann. Nicht nur wegen der Silber- und Bronzemedaille, die er bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki gewonnen hat. Am 2. März feiert der promovierte Tierarzt aus der niedersächsischen Gemeinde Jade, gelegen zwischen Oldenburg und Wilhelmshaven, ein äußerst seltenes Jubiläum. Büsing wird 100 Jahre. Er ist der älteste lebende deutsche Olympia-Medaillengewinner. Wegen der Covid19-Pandemie kann der rüstige Reitsportler seinen besonderen Geburtstag aber nicht in dem Rahmen feiern, den er verdient hätte.
Jade/Hannover – Auf ein Pferd setzt sich Willy Büsing nicht mehr. Das muss er auch nicht. Der Mann, der am 2. März seinen 100. Geburtstag feiert, hat in seinem langen Leben als erfolgreicher Olympia-Teilnehmer von 1952 im Vielseitigkeitsreiten, als Tierarzt und als Pferdezüchter häufig bewiesen, dass er mit Pferden bestens umgehen kann. „Jetzt bewege ich mich mit Hilfe eines Rollators. Ansonsten fühle ich mich aber fit“, antwortete Büsing auf die naheliegende Frage nach seinem Gesundheitszustand.
Wenige Tage vor seinem runden Ehrentag, den er zu Hause im kleinen niedersächsischen Ort Jade im Landkreis Wesermarsch feiert, verblüffte der agile Rentner beim Telefongespräch mit dem Niedersächsischen Institut für Sportgeschichte (NISH) durch ein bemerkenswertes Gedächtnis. Besonders an die olympischen Wettkämpfe in Helsinki, wo er Silber mit dem Military-Team und Bronze im Einzel gewann und damit zum erfolgreichsten Teilnehmer im deutschen Olympia-Aufgebot avancierte, erinnerte er sich im Detail.
Wallach Hubertus auf Fischkutter nach Helsinki
„Wir sind damals mit einem alten Bomber von Hamburg nach Helsinki geflogen. Deutschland galt als Kriegsverursacher und durfte erstmals nach Kriegsende bei Olympia dabei sein. Auf sportlichem Gebiet verlief aber alles reibungslos und auch die finnische Bevölkerung hat uns ohne große Ressentiments empfangen“, erzählte der Jubilar.
Sein Erfolgspferd Hubertus erreichte die finnische Hauptstadt mit anderen Vierbeinern auf dem Deck eines Fischkutters über die Ostsee. Nach der Überfahrt erkrankte der Wallach plötzlich. „Verdauungsprobleme. Der Start von Hubertus stand auf der Kippe“, erinnerte sich Büsing. Doch er musste das Ersatzpferd nicht satteln. Hubertus erholte sich rechtzeitig und der Niedersachse landete hinter dem Schweden Hans von Blixen-Finecke und dem Franzosen Guy Lefrant auf dem dritten Platz.
Der Bronze-Rang legte den Grundstein für das Team-Silber, über das sich Büsing mit seinen Kollegen Klaus Wagner (gestorben 2001) und Otto Rothe (gestorben 1970) freuen konnte. „Trotz dieser schönen Erfolge war das Gesamtergebnis für Deutschland traurig. 1936 gab es in Berlin mehr als 30 Goldmedaillen, in Helsinki nicht eine“, bilanzierte der 100-Jährige in ungewöhnlich scharfer Form die Rückkehr des deutschen Sports auf die Olympia-Bühne vor 69 Jahren. Angesichts von immerhin sieben Silber- und 17 Bronze-Plaketten ist das eine sehr kritische Analyse.
Doch der Sohn eines Pferdehändlers bevorzugte stets klare Worte. Er nannte Ross und Reiter. 1954 belegte Büsing noch einmal Platz zwei mit der deutschen Equipe bei der EM in Basel, ehe seine Sportler-Karriere endete. „Mein Hauptberuf Tierarzt hatte dann Vorrang“, sagte der frühere Veterinär. Bis vor 30 Jahren führte er seine Tierarztpraxis, unterstützt von Ehefrau Dorle und den Töchtern Heike und Sabine. Auch als Züchter machte er sich einen Namen.
Hilfestellung für Hans-Günter Winkler
Dem Leistungssport und besonders Olympia blieb der Jubilar weiterhin verbunden. Büsing erlebte in verschiedenen Funktionen die Reiterspiele 1956 in Stockholm, 1960 in Rom, 1964 in Tokio und 1972 in München. Zumeist amtierte er bei den Pferdesport-Disziplinen als Tierarzt, der manchmal auch Menschen verarzten musste. „1956 habe ich Hans-Günter Winkler in der Pause vor dem zweiten Umlauf nach seinem Leistenbruch so gut es ging behandelt“, erzählte er über Winklers legendären Gold-Ritt mit der Wunderstute Halla.
Der vielseitige Vielseitigkeitsreiter engagierte sich unter anderem im Vorstand des Jader Reitclubs, als Wertungsrichter bei Reitturnieren oder im Deutschen Olympiade Komitee für Reiterei (DOKR). Ein Leben im Ruhestand war für den Aktivmenschen, der seit 62 Jahren mit Dorle (82) verheiratet ist, lange Zeit nicht vorstellbar.
Die Frage nach dem Patentrezept, um 100 Jahre zu werden, beantwortete der Pferdesport-Nestor mit trockenem Humor: „Man muss eine Frau heiraten, die jünger, arbeitsam und schön ist.“ Die Gattin konterte postwendend: „Ich habe ihn nicht wegen der Medaillen geheiratet, sondern wegen seines schönen Schäferhundes.“
Am Geburtstag hält das Paar die Haustür in Jade pandemiebedingt für alle Gratulanten geschlossen. Glückwünsche sind dennoch reichlich zu erwarten. Die Gemeinde Jade, das DOKR, die Deutsche Reiterliche Vereinigung (FN) sowie andere Vereine und Organisationen wollen gratulieren.
Die FN hat ein spezielles Geschenk geplant. In Videobotschaften sollen frühere sportliche Mitstreiter dem Geburtstagskind gratulieren. Angesichts dessen Alters scheint das ein sehr ambitioniertes Vorhaben zu sein.
Auch das NISH wünscht dem Olympiareiter einen schönen Tag sowie viel Glück und jede Menge Gesundheit für die Zukunft. Büsing zählte zu den ersten Sportlern, die 1988 in die „Hall of Fame“ aufgenommen worden waren.
Peter Hübner, 25.02.2021