Der VfL Osnabrück vor fünf Jahrzehnten – Die goldene Ära

Wer an den VfL Osnabrück denkt, denkt zumeist an Fußball. Die Mannschaft des norddeutschen Traditionsclubs strebt im Frühjahr 2019 – pünktlich zum 120. Vereinsgeburtstag – den siebten Aufstieg in die 2. Liga an. Bis in die Bundesliga hat es bisher noch nicht gereicht – doch die Lila-Weißen und das Stadion an der Bremer Brücken sind in ganz Fußball-Deutschland bekannt.

Aber Fußball war und ist beim VfL nicht alles. Vor fünf Jahrzehnten mussten sich die Kicker interner Konkurrenz erwehren. Die Osnabrücker Basketball- und Tischtennis-Spieler zählten zwischen 1965 und 1970 zur bundesdeutschen Spitze und wurden mehrfach Meister und Pokalsieger. „Sie haben eine goldene Ära des Osnabrücker Sports gestaltet“, lobte der damalige Oberbürgermeister Wilhelm Kelch im Januar 1970 bei einem Empfang im Rathaus die Sportler und ihre ungewöhnlichen Erfolge.

Die vielen Basketball-Fans in Osnabrück haben vor allem den 20. April 1969 nicht vergessen und im Kalender vermerkt. Vor 50 Jahren holte sich das VfL-Team durch einen 76:69-Erfolg beim ewigen Widersacher MTV Gießen die erste und einzige deutsche Meisterschaft. Zuvor hatten die Osnabrücker Korbjäger um die Top-Spieler Helmut Uhlig, Klaus Weinand und Rassem Yahya 1967 den DBB-Pokal gewonnen sowie 1965, 1967 und 1968 die Endspiele um die deutsche Meisterschaft jeweils knapp und teilweise unter kuriosen Umständen gegen Gießen verloren.

So unterlief Uhlig, der bis 1967 als Spielertrainer fungierte, im Finale 1968 in der heimischen Schloßwallhalle ein Fauxpas, als er zu Beginn der zweiten Halbzeit den Ball im eigenen Korb versenkte. Der Eigenkorb des langjährigen VfL-Kapitäns zählte. Trotz dieses Missgeschicks ist der Name des aus Halle/Saale stammenden Uhlig untrennbar mit den Erfolgen des Osnabrücker Basketballteams verbunden. Der nur 1,76 Meter große, agile und treffsichere Flügelflitzer, der zunächst für die DDR-Auswahl spielte, 1963 in die Bundesrepublik floh und 1972 an den Olympischen Spielen in München für die DBB-Mannschaft teilnahm, blieb auch nach dem Ende seiner Karriere in Osnabrück. Er starb dort am 22. Juli 2014.

Verantwortlich für den viel umjubelten Triumph in Gießen war der tschechische Coach Miloslav Kriz. Der Jurist aus Prag dirigierte das VfL-Team „umsichtig und geschickt“ von der Trainerbank, wie der LSB Niedersachsen bei seiner Meisterehrung feststellte. Kriz, der später auch als Bundestrainer arbeitete und 2013 im Alter von 88 Jahren starb, ließ die Osnabrücker Spieler im Training gerne mal die Stufen in der Schloßwallhalle rauf und runter laufen. Dort feierten vor 50 Jahren auch die Tischtennis-Spieler des VfL Osnabrück ihren letzten großen Erfolg. Im Pokal-Finale 1969 bezwang das Trio Ernst Gomolla, Bernt Jansen und Hans Micheiloff den Favoriten Borussia Düsseldorf mit dem WM-Zweiten Eberhard Schöler unerwartet deutlich mit 5:1. „Ich habe in meiner aktiven Zeit einige Male gegen Schöler gewonnen. Wir waren beide Abwehrspieler. Während Eberhard nur mit der Rückhand angriff, konnte ich mit Vorhand und Rückhand zwischendurch offensiv agieren“, berichtete der 84 Jahre alte Gomolla im NISH-Gespräch.

Der gebürtige Niedersachse aus Salzgitter lebt seit mehr als 40 Jahren in Datteln und ist nach eigenen Angaben erblindet. Mit seinem Zwillingsbruder Herbert Gomolla, den kompromisslosen Angriffsspielern Jansen und Micheiloff sowie Dieter Lippelt, Karl Dependahl, Reinhard Michel, Helmut Sandmann und Lutz Wolf bildete Ernst Gomolla eine homogene Truppe, die 1966 und 1968 zweimal die deutsche Mannschaftsmeisterschaft gewann und noch viermal unter die Top Drei kam. Die Endspiele lockten teilweise 1200 Zuschauer in die Halle.

An gemeinsame Aktionen mit den VfL-Basketballern kann sich der frühere Tischtennis-Nationalspieler nicht erinnern. „Ich glaube nicht, dass ich ein Basketballspiel gesehen habe. Wir waren doch zu sehr mit unserem eigenen Sport beschäftigt“, erklärte Ernst Gomolla. Der damalige VfL-Präsident Friedel Schwarze, ein sportbegeisterter Unternehmer aus der Stahlbranche, engagierte sich als Mäzen nicht nur im Fußball, sondern versuchte, auch in den Randsportarten Basketball und Tischtennis Strukturen für Leistungssport einzuführen. Die Sportler waren zwar offiziell Amateure, erhielten als Berufstätige, Auszubildende oder Studenten aber Hilfestellungen und Vergünstigungen. Dafür mussten sie in der Regel viermal in der Woche trainieren, hinzu kamen Einsätze für die Nationalteams und Kaderlehrgänge. Als Vereinschef Schwarze 1969 starb, erfüllten sich die Hoffnungen von Oberbürgermeister Kelch auf den Erhalt und den Ausbau der erfolgreichen Rahmenbedingungen für beide Sportarten nicht. Die neuen Osnabrücker Präsidenten Eduard und Hartwig Piepenbrock legten den Schwerpunkt auf Fußball. Zudem verließen Leistungsträger wie Helmut Uhlig (München) oder Bernt Jansen (Berlin) die VfL-Teams, die nicht mehr ihre alte Leistungsstärke erreichten. Zuletzt sorgten 1973 die Tischtennis-Damen des VfL Osnabrück mit dem Gewinn des nationalen Titels noch einmal für Aufsehen.

Doch spätestens zwei Jahre später war es mit der Goldenen Ära für den VfL Osnabrück endgültig vorbei. Beide Sportarten sind aber bis heute in der Region Osnabrück gut vertreten und haben ihre Anhänger. So spielten die Damen von TuS Glane und TSG Burg-Gretesch einst in der Tischtennis-Bundesliga. Und die Basketball- Herren der BC Giants Osnabrück und der Artland Dragons aus Quakenbrück produzierten in der Bundesliga jede Menge positive und negative Schlagzeilen. Aktuell sicherten sich die Korbjägerinnen des OSC Osnabrück die Meisterschaft 2019 in der 2. Liga Nord und hoffen auf die Rückkehr in die Bundesliga.

15. April 2019, Peter Hübner